Pressemeldungen - Westfalen-Blatt - ZTB/DVC Stadt B.O. Drucken
Wie groß ist das Millionengrab?
Samstag, 05. April 2014

Höhe der Verluste durch städtische Beteiligung an ZTB und DVC bei Sonderratssitzung strittig

Bad Oeynhausen(WB). Dass durch die städtischen Beteiligungen an der Zentrum Technologie Biomedizin (ZTB) GmbH und der Delta Venture Capital (DVC) GmbH ein Millionenschaden entstanden ist, war am Donnerstag bei einer Sondersitzung des Rates der Stadt Bad Oeynhausen unumstritten. Uneinigkeit herrschte aber über die Höhe der Verluste.

Von Malte Samtenschnieder

»Eigentlich ist es nicht die Aufgabe der Fraktionen, diese Problematik aufzuarbeiten«, sagte Reiner Barg (Bürger für Bad Oeynhausen) zu Beginn. Gemeinsam mit den Linken und den Unabhängigen Wählern hatte seine Fraktion die Einberufung der Sonderratssitzung beantragt (das WESTFALEN-BLATT berichtete). Ziel sei eine umfassende Aufklärung. Reiner Barg: »Hier sind nicht nur Steuergelder aus Bad Oeynhausen, sondern auch Mittel von Land und Bund verloren gegangen.«

Der Fraktionsvorsitzende der BBO wies darauf hin, dass die ZTB bereits Mitte der 1990er Jahre in wirtschaftliche Schieflage geraten und der eigentliche Geschäftszweck nicht mehr erkennbar gewesen sei. »Schon damals haben wir gefordert, der Problematik auf den Grund zu gehen«, betonte Reiner Barg. Doch getan habe sich wenig. Nachfragen seien vielmehr recht harsch zurückgewiesen worden. Letztendlich hätten sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigt. »Nach unseren Berechnungen beläuft sich der Verlust an öffentlichen Mitteln mittlerweile auf nahezu zehn Millionen Euro«, ergänzte Axel Nicke (BBO).

Ein Erkenntnisgewinn

Von Malte Samtenschnieder

In verschiedenen Punkten war die Sonderratssitzung zum entstandenen Verlust durch die städtische Beteiligung an ZTB und DVC ein Erkenntnisgewinn. Positiv überrascht dürften alle gewesen sein, die damit gerechnet hatten, dass sie auf ihre Fragen weiter keine Antworten erhalten würden. Mit seinem akribisch vorbereiteten, umfangreichen Referat gelang es Kurt Nagel, das Eis zu brechen. Auch Marco Kindler trug zur Versachlichung der Debatte bei, indem er zu Einzelaspekten wertvolles Hintergrundwissen ergänzte.

Eine unnötige Schärfe bekam die Diskussion jedoch, als persönliche Schuldzuweisungen die Runde machten. So verwahrte sich Bürgermeister Klaus Mueller-Zahlmann gegen die Vorwürfe – insbesondere seitens der Bürger für Bad Oeynhausen – Kurt Nagel, Marco Kindler und er selbst seien für die Millionenschäden bei ZTB und DVC verantwortlich. Auch Dr. Olaf Winkelmann wurde persönlich. Er verwies darauf, dass insbesondere Reiner Barg und Axel Nicke einst Beschlüsse zur Schaffung von ZTB und DVC mit auf den Weg gebracht hätten, heute aber zu den schärfsten Kritikern gehörten.

Ob bei der Wahl des Termins für die Beantragung der Sonderratssitzung auch die bevorstehende Kommunalwahl eine Rolle spielte, sei einmal dahin gestellt. Ja. Die Ratsfraktionen nutzten die zweistündige Debatte, um sich nicht nur zum Thema ZTB/DVC zu positionieren. Doch das ist nicht der Haupteindruck, der nach der Sondersitzung bleibt. Vielmehr gelang es den Ratsmitgliedern über weite Strecken der zweistündigen Debatte, sich der für viele sperrigen Thematik nach harschen Wortgefechten in der Vergangenheit mit wohltuender Sachlichkeit zu nähern. Dadurch konnten zwar nicht unterschiedliche Betrachtungsweisen des entstandenen Schadens überein gebracht werden. Doch ein Anfang ist gemacht.
»Wir hätten gerne auf diese Sondersitzung verzichtet«, sagte Mitantragssteller Andreas Korff (Linke). Doch leider seien bei der vorhergegangenen Ratssitzung diverse Fragen zum Themenkomplex ZTB/DVCunbeantwortet geblieben. »Wo sollen wir denn den entstandenen Schaden aufarbeiten, wenn nicht hier?«, fragte Andreas Korff. Er könne nicht nachvollziehen, warum die Stadt den entstandenen Schaden lediglich mit 1,47 Millionen Euro beziffere. Zwischen dieser Zahl und dem von Axel Nicke genannten Wert liege immerhin eine Differenz von acht Millionen Euro. In dieser Frage sei ihm sehr an einer sachlichen Aufarbeitung gelegen. Ähnlich äußerte sich Rainer Müller-Held. »Immer wenn dieses Thema auf den Tisch gekommen ist, sind wir wie dumme Schulkinder behandelt worden. Doch wir haben uns schlau gemacht«, sagte der Grünen-Politiker.

Dem Wunsch nach Informationen kam Kurt Nagel (CDU) in seiner Funktion als langjähriges Kuratoriumsmitglied des ZTB und langjähriger Aufsichtsratsvorsitzender der DVC nach. Seinen Ausführungen ging ein Ratsbeschluss voraus, dass erstmals Sachverhalte in öffentlicher Sitzung behandelt werden durften, die zuvor nur nicht-öffentlich erörtert worden waren. Warum ein derartiger Informationsaustausch aus Sicht der Verantwortlichen zuvor nicht möglich war, machte Kämmerer Marco Kindler in seiner Funktion als langjähriger Geschäftsführer der ZTB deutlich: »Sowohl die ZTB als auch die DVC sind inzwischen liquidiert.« Dort seien keine schützenswerten Interessen mehr zu wahren.

In seinem Referat ging Kurt Nagel sowohl auf die Verwendung gewährter Kredite und Fördergelder als auch auf andere Transaktionen – wie den Verkauf eines Grundstückes an der Wielandstraße – ein. Zwar könne auch er nicht alle getroffenen Entscheidungen nachvollziehen. Die Rechtmäßigkeit pauschal zu beanstanden, sei aber nicht der richtige Weg. Immerhin habe der Wirtschaftsprüfer seinerzeit nichts zu beanstanden gehabt.

Dass sowohl Kurt Nagel als auch Marco Kindler bereitwillig auf Fragen der Ratsmitglieder antworteten, Bürgermeister Klaus Mueller-Zahlmann aber standhaft auf die schriftliche Vorlage der Verwaltung verwies, missfiel Axel Nicke. »Wir haben den Bürgermeister bereits 2009 zu einer Stellungnahme aufgefordert. Darauf warten wir bis heute.« In ungewohnter Schärfe entgegnete Klaus Mueller-Zahlmann, dass er wisse, dass Axel Nicke damals in dieser Angelegenheit gegen ihn und andere auch Strafanzeige erstattet habe. Axel Nicke: »Das bestreite ich nicht.«

Eine weitere unerwartete Wendung gab Dr. Olaf Winkelmann der Debatte mit seinem Redebeitrag. »Wir haben überlegt, ob wir heute überhaupt kommen sollen«, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende. Die Sondersitzung sei aus seiner Sicht Zeitverschwendung. Er könne nicht nachvollziehen, warum 20 Jahre später über Fehlentscheidungen mit einem Volumen von 1,47 Millionen Euro derart heftig gestritten werde. Im Vergleich zu den Summen, über die der Rat in den vergangenen 20 Jahren entschieden habe, sei dieser Betrag wohl eher als gering einzustufen.

Eine endgültige Klärung der Schadenshöhe durch die städtische Beteiligung an ZTB und DVC konnte die Ratsdebatte nicht herbeiführen. Einige zuvor umstrittene Aspekte erscheinen jetzt allerdings in einem anderen Licht.

© 2014 WESTFALEN-BLATT - Bad Oeynhausener Anzeiger und Tageblatt vom 05.04.2014