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Bürgermeister und Kämmerer angeklagt
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Freitag, 23. November 2012
Staatsanwaltschaft wirft Mueller-Zahlmann und Kindler Untreue bei Zinsgeschäften vor

Von Jörg Stuke
Bad Oeynhausen
. Der Vorwurf ist gewichtig: Wegen Untreue in drei besonders schweren Fällen hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld Anklage gegen Bad Oeynhausens Bürgermeister Klaus Mueller-Zahlmann und Kämmerer Marco Kindler erhoben. Zudem muss sich Kindler auch noch wegen Insolvenzverschleppung im Fall des städtischen Tochterunternehmens ZTB verantworten.

Rund zwei Dutzend Zinstauschgeschäfte, sogenannte „Swaps“, hat die Stadt Bad Oeynhausen in den Jahren 2000 bis 2008 abgeschlossen. Die meisten davon sind nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft strafrechtlich nicht relevant. Doch bei drei besonders risikoreichen Geschäften sieht sie das anders (siehe Info-Kasten).

„Bei diesen Geschäften hätten sich Bürgermeister und Kämmerer dringend umfassender informieren müssen“, erklärte Staatsanwalt Dr. Andrè Meier, der über drei Jahre lang die Vorermittlungen in diesem Fall führte. Mit den Swaps schloss die Stadt Verträge mit der Westdeutschen Landesbank (West LB), bei der sich der Zinssatz, den die Stadt für die jeweiligen Darlehn zu zahlen hatte, nach der angenommenen Entwicklung der Zinsen richtete.

„Bei dieser Art von Wettgeschäften gibt es immer einen Gewinner und einen Verlierer“, erläuterte Meier. Deshalb sei es „nicht gerade schlau“, wenn man sich dabei ausschließlich vom Wettpartner beraten ließe. „Bürgermeister und Kämmerer hätten hier dringend einen externen Berater hinzuziehen müssen“, sagte Meier. „So, wie ich das auch getan habe.“ Meier hatte einen Wirtschaftsprofessor der Uni Bielefeld als Sachverständigen in seine Ermittlungen eingeschaltet.Und der habe erklärt, dass mit jedem der drei Swap-Verträge das Risiko für die Stadt gestiegen sei. Die Frage, wie hoch denn der Schaden konkret sei, der der Stadt durch die Swaps entstanden ist, konnte aber auch der Sachverständige nicht beantworten. „Strafrechtlich ist entscheidend, wie die tatsächliche Prognose bei Vertragsabschluss war“, so Meier. Diese „Vermögensgefährdung“ müsse möglicherweise das Gericht berechnen.

Außerdem hätten Bürgermeister und Kämmerer den Stadtrat früher und umfassender über die Zinsgeschäfte informieren müssen, so Meier. Dritter Vorwurf: die sogenannte „schwarze Kasse“. „Bei der West LB wurde extra ein Konto eingerichtet, das für den Rat nicht einsehbar war“, erläuterte Meier.

Zusammengenommen sieht die Staatsanwaltschaft damit den Vorwurf der Untreue erfüllt. Sogar in besonders schweren Fällen, „da Bürgermeister und Kämmerer ihre Ämter für ihre Taten missbraucht haben“, so Meier. Das Strafmaß für schwere Untreue: Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Dabei ist für die Staatsanwaltschaft klar: „Keiner der Beschuldigten wollte sich persönlich bereichern. Beide wollten etwas Gutes für die Stadt tun“, so Meier. Nur wie sie das versucht hätten, sei strafrechtlich zu beanstanden, sagt Oberstaatsanwalt Christoph Mackel. „Wir wissen, dass dies rechtlich relativ unerforschtes Gebiet ist“, so Mackel. Er kenne kein vergleichbares Verfahren. „Und es ist ein Zwischenverfahren.“ Die Große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts werde die 38 Seiten umfassende Anklageschrift nun sehr genau prüfen. Das könne mehrere Monate dauern. Dann muss die Wirtschaftskammer entscheiden, ob sie die Klage zulässt. „Das Ergebnis ist durchaus offen“, sagte Mackel.

Kämmerer Kindler sieht sich mit einer weiteren Klage konfrontiert. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Insolvenzverschleppung vor. Das städtische Tochterunternehmen, dessen Geschäftsführer Kindler seit 2004 (mit Übernahme des Kämmerer-Amtes) ist, sei schon im Sommer 2004 faktisch zahlungsunfähig gewesen, so Meier.

Angesichts der Anklagen gegen die Bad Oeynhausener Verwaltungsspitze sieht die Kommunalaufsicht des Kreises aktuell keinen Handlungsbedarf. „Wenn es zu einem Strafverfahren kommt, ist ein etwaiges Disziplinarverfahren zeitlich nachgelagert. Das Ergebnis aus dem Strafverfahren wäre dann für ein eventuelles Disziplinarverfahren richtungweisend“, so Oliver Roth, Sprecher des Mühlenkreises.

© 2012 NEUE WESTFÄLISCHE - Bad Oeynhausener Kurier vom 23.11.2012





Das sagt der Bürgermeiste
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„Gegenstand der Anklage sind Sachverhalte aus den Jahren 2007 und 2008, die seinerzeit in der öffentlichen Berichterstattung bereits ausführlich dargestellt worden sind. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Obwohl es sich anscheinend um eine sehr schwierige juristische Thematik handelt, vertraue ich weiterhin darauf, dass das Gericht die gegen mich erhobenen Anschuldigungen zurückweisen wird“, erklärte Bürgermeister Klaus Mueller-Zahlmann. Dem schloss sich Marco Kindler an.

© 2012 NEUE WESTFÄLISCHE - Bad Oeynhausener Kurier vom 23.11.2012





INFO
Chronologie der Swap-Geschäfte

1. Juni 2007: Die Stadt Bad Oeynhausen schließt einen Korridor-Swap-Vertrag mit der West LB ab, um damit einen anderen Zinsvertrag abzulösen, bei dem bereits 489.000 Euro Verlust aufgelaufen sind. Bürgermeister Klaus Mueller-Zahlmann und Kämmerer Marco Kindler unterzeichnen den Vertrag, der Verlust des vorherigen Vertrages wird „eingepreist“. Der Vertrag läuft Ende 2010 aus. Rechnerischer Verlust: 290.000 Euro.

Außerdem schließt die Stadt noch einen Spread-Swap-Vertrag mit der West LB ab.

1. Januar 2008: Der Spread-Swap-Vertrag wird von einem neuen Spread-Swap abgelöst. auch hier wird der rechnerische Verlust von 198.000 Euro „eingepreist.“

19. März 2009: Die Stadt steigt aus diesem Vertrag vorzeitig aus. Rechnerischer Verlust: 485.000 Euro. Bürgermeister Klaus-Mueller-Zahlmann räumt gegenüber der NW ein, dass er bei Abschluss dieses Vertrages besser den Rat hätte informieren sollen.

Mai 2009: Ein juristischer Berater der Stadt sieht keine Ansatzpunkte für eine Haftung des Kämmerers oder des Bürgermeisters .

Juni 2009: Die Bezirksregierung bestätigt die Überprüfung der Zinsgeschäfte durch den Kreis. Der hatte zwar die Zinsgeschäfte beanstandet, da sie „gegen gemeindliche Haushaltsgrundsätze“ verstießen. Aber für ein Einschreiten sehen weder Kreis noch Bezirksregierung Anlass.

September 2009: Das Rechnungsprüfungsamt der Stadt Bad Oeynhausen erstattet Anzeige gegen Bürgermeister und Kämmerer. Mehrere anonyme Anzeigen kommen dazu. Seither ermittelt die Staatsanwaltschaft Bielefeld. (juk)

© 2012 NEUE WESTFÄLISCHE - Bad Oeynhausener Kurier vom 23.11.2012