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»Affäre begleitete Wahl 2009«
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Samstag, 24. November 2012
Reaktionen der Ratsfraktionen zur Anklageerhebung gegen Bürgermeister und Kämmerer

Von Claus Brand
Bad Oeynhausen (WB). Die Fakten liegen auf dem Tisch. Bürgermeister Klaus Mueller-Zahlmann und Kämmerer Marco Kindler sollen sich wegen Untreue bei Zinstausch-Geschäften verantworten. Dem Kämmerer wirft die Staatsanwalt zudem Insolvenzverschleppung bei der Stadttochter ZTB vor. Das WESTFALEN-BLATT hat dazu die Fraktionschefs im Rat befragt.

CDU
Kurt Nagel: »Wer den Rechtsstaat respektiert, kann eine politische Vorverurteilung nicht akzeptieren. Die Anklageerhebung stellt eine andere Qualität in der Betrachtung des Sachverhaltes dar. Nach meiner Kenntnis befindet sich die Rechtsangelegenheit im so genannten strafverfahrensrechtlichen Zwischenverfahren. Danach ist Bürgermeister und Kämmerer zunächst rechtliches Gehör zu gewähren. Dann erfolgt eine Entscheidung des Gerichts. Aus ihr ergeben sich unverzüglich auch politische Handlungsoptionen.«

SPD
Dr. Olaf Winkelmann: »Wichtig für die Stadt ist aus meiner Sicht eine handlungsfähige Verwaltung. Im Interesse der Betroffenen wünsche ich mir daher auch ein zügiges und sachgerechtes Entscheidungsverfahren der Justiz. Bis dahin gilt eindeutig die Unschuldsvermutung.«

FDP
Wilhelm Ober-Sundermeyer: »Ich bedauere, dass sich Rat und Verwaltung mit der aus heutiger Sicht falschen Entscheidungen zu Derivatgeschäften beschäftigen müssen. Auslöser des Ganzen war die intensive Beratung des Rates durch die Banken! Danach wurde die Angelegenheit mit Mehrheit durch die Politik abgesegnet. Nachdem die Geschäfte ins Minus liefen, hat der Bürgermeister versucht, Schaden abzuwenden. Hier wurde wieder falsch beraten. Ob ihm dabei juristische Fehler unterlaufen sind, kann ich nicht sagen. Darüber wird das Gericht entscheiden. Unsere Fraktion lehnt eine Vorverurteilung ab. Sie kann auch keine Vorteilsnahme erkennen. Ich hoffe, dass das Ansehen von Bürgermeister und Kämmerers nicht beschädigt wird.«

Grüne
Dr. Volker Brand: »Ihr Fehlverhalten in dieser Sache ist von uns oft benannt worden. Wir waren und sind der Ansicht, dass die Einpreisung der Derivatgeschäfte Anfang 2008 unbedingt der Genehmigung von Rat und Finanzausschuss bedurft hätte und nicht Geschäft laufender Verwaltung war. Anscheinend sind die Verstöße nicht so klar im strafrechtlichen Sinne bewertbar, dass von Seiten der Staatsanwaltschaft zügig eine Entscheidung getroffen werden konnte. Auch sie räumt ein, Neuland zu betreten. Die dreijährige Ermittlungsdauer ist für alle Beteiligten, für Beschuldigte, Politiker und Bürger unangemessen lang und kontraproduktiv. Es darf nicht vergessen werden, dass die Kommunalwahl 2009 vor dem Hintergrund der Affäre stattfand. Gewählt wurde Klaus Müller-Zahlmann. Es ist zu beachten, ob Haftungsansprüche bestehen. Dem ist aber in Vergleichsfällen widersprochen worden. Auch wenn es zur Anklage kam, ist am Ende zur Haftung freigesprochen worden. Im Übrigen hat auch ein Bürgermeister im Sinne der Unschuldsvermutung den Rechtsanspruch, nicht vorverurteilt zu werden. Die Frage, ob Bürgermeister oder Kämmerer unter Anklage einem Autoritätsverlust unterliegen, ist nicht irrelevant. Vieles spricht jedoch dafür, dass dies bis zur Urteilsverkündung als Kollateralschaden der Anklageschrift hingenommen werden muss.«

BBO
Reiner Barg: »Der Vorfall ist in der Geschichte der Stadt beispiellos. Noch nie wurden ein Bürgermeister und ein Kämmerer angeklagt. Zwingend muss sich der Rat mit der Sache auseinandersetzen und insbesondere die Art und Weise des Verhaltens und die kommunalrechtlichen Verstöße erörtern. Die Zinswettgeschäfte und die erheblichen finanziellen Schäden wurden von uns bereits 2008 gegen massive Widerstände thematisiert. Das Rechnungsprüfungsamt legte dem Rat einen Bericht vor, der inhaltliche Grundlage für die Strafanzeige gegen Bürgermeister und Kämmerer war. Dieser Bericht, mit der Feststellung einer Vielzahl schwerer Rechtsverstöße und entsprechenender finanzieller Folgen lag dem Rat seit 2008 vor.
Die Staatsanwaltschaft hat nach akribischer Prüfung festgestellt, dass aus ihrer Sicht der Straftatbestand der Untreue erfüllt ist. Das geschah nicht leichtfertig. Die Staatsanwaltschaft hat demnach ermittelt, dass beide vorsätzlich handelten, da lediglich Fahrlässigkeit oder grobe Fahrlassigkeit kaum den Tatbestand der Untreue erfüllen. Das Ermittlungsergebnis, den Kämmerer wegen Insolvenzverschleppung anzuklagen, ist für uns keine Überraschung. Seit 1997 weisen wir auf wirtschaftliche Schieflagen beim ZTB gegen massive Widerstände und Anfeindungen hin. Wir warnten vor der Beteiligung an der Risikokapitalgesellschaft DVC und stellten klar, dass dies mit der Gemeindeordnung nicht vereinbar ist. Unsere Versuche, die Problematik im Rat zu erörtern und Auskünfte von Seiten der Verantwortlichen zu bekommen, verliefen negativ.«

Unabhängige Wähler
Thomas Heilig: »Zur Anklage werden wir uns nicht weiter äußern. Erst ein Urteil beendet die Angelegenheit. Bis dahin halten wir uns an: Im Zweifel für den Angeklagten. Dass die Staatsanwaltschaft seit drei Jahren ermittelt, ist mehr als schändlich. Nicht nur für die Betroffenen. Das Thema hätte längst abgehandelt sein müssen. So ein Arbeitstempo ist nicht zu tolerieren und hier setzt unsere Kritik ein. Wir fordern die Justiz auf, zeitnah zu entscheiden.

Linke
Andreas Korff: »Man muss abwarten, was bei der Geschichte herauskommt. Je nach Ergebnis werden sich Bürgermeister und Kämmerer Gedanken machen müssen, was für Konsequenzen zu ziehen sind. Bis dahin, heißt es: Im Zweifel für den Angeklagten.«

© 2012 WESTFALEN-BLATT - Bad Oeynhausener Anzeiger und Tageblatt vom 24.11.2012